OODA-Loop

Die Strategie von John Boyd

OODA, Buchstabe für Buchstabe

Die vier Phasen.


Entwurf der OODA-Loop von John Boyd, in der Überarbeitung und Übersetzung von Benjamin WittorfEntwurf der OODA-Loop von John Boyd, in der Überarbeitung und Übersetzung von Benjamin Wittorf

Der OODA-Zyklus ist dazu gedacht, immer wieder wiederholt zu werden – wobei es sich um eine Reihe von interagierenden Schleifen handelt –, bis eine Herausforderung oder Situation bewältigt ist. Jede Wiederholung liefert weitere Informationen für die nächste Wiederholung, sodass es sich um Feedback- und Feedforward-Schleifen handelt. Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Orientierungsphase innerhalb des OODA-Zyklus nicht als statisch, sondern als dynamischer Prozess betrachtet werden muss.

Der OODA-Zyklus ist somit nicht nur eine einfache Schleife, sondern ein kontinuierlicher „Wirbel der Reorientierung“, der durch Mismatches, Analysen/Synthese und daraus resultierende Innovationen angetrieben wird. Dieser Wirbel ist ein ständiger Prozess der Anpassung an die sich verändernde Realität. Der Schwerpunkt sollte also nicht nur auf der Geschwindigkeit des Durchlaufens des Zyklus liegen, sondern auch auf der Qualität der Orientierung und der Fähigkeit, sich an neue Situationen anzupassen.

Zusätzlich ist es wichtig zu betonen, dass der OODA-Zyklus auch Gefahren birgt, insbesondere die der Selbstverstärkung. Diese tritt auf, wenn die Orientierung die Beobachtungen verzerrt und den Zyklus von der Realität isoliert. Positive Feedbackschleifen können dazu führen, dass vorgefasste Meinungen verstärkt werden und das System sich von seiner Umgebung abschottet, was zu Verwirrung und Chaos führen kann.

Eine gesunde Anwendung des OODA-Zyklus erfordert daher eine ständige Bereitschaft, bestehende Annahmen in Frage zu stellen und neue Perspektiven einzunehmen. Es geht darum, eine Balance zwischen implizitem und explizitem Wissen zu finden und die Fähigkeit zu entwickeln, sowohl intuitiv als auch analytisch zu handeln. Der OODA-Zyklus sollte als ein Rahmen verstanden werden, der die ständige Anpassung und Verbesserung der Handlungsfähigkeit ermöglicht, und nicht nur als eine Checkliste.

Die vier Phasen sind:

Observe (Beobachten)

In der ersten Phase geht es darum, die Situation zu beobachten, um sich ein möglichst genaues und umfassendes Bild von ihr zu machen.

Informationen allein sind nicht ausreichend. In der Beobachtungsphase müssen wir die Informationen in ein Gesamtbild mit übergreifender Bedeutung überführen, das sie in einen Kontext stellt. Eine besonders wichtige Fähigkeit ist zu erkennen, welche Informationen nur Rauschen und für die aktuelle Entscheidung irrelevant sind.

Wenn wir gute Entscheidungen treffen wollen, müssen wir die Kunst beherrschen, unsere Umgebung zu beobachten. Für einen Kampfpiloten gehören dazu Faktoren wie das, was die Gegenseite tut. An unserem Arbeitsplatz könnten das Faktoren wie Vorschriften, verfügbare Ressourcen, unsere Beziehungen zu unseren Kolleg:innen und unsere aktuelle Gemütsverfassung sein.

Orient (Orientieren)

«Orientierung ist nicht nur ein Zustand, in dem du dich befindest; es ist ein Prozess. Du bist immer dabei, dich zu orientieren.»
John Boyd

Die zweite Phase des OODA-Loops, die Orientierung, ist weniger intuitiv als die anderen Phasen, und gleichzeitig die wichtigste. Boyd bezeichnete sie als Schwerpunkt.

Sich zu orientieren bedeutet, alle Hindernisse zu erkennen, die die anderen Teile des OODA-Loops behindern könnten, sich mit der Realität zu verbinden und die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist: möglichst frei vom Einfluss kognitiver Verzerrungen und Annahmen. Wir können uns einen Vorteil gegenüber der Gegenseite verschaffen, indem wir uns immer orientieren, bevor wir eine Entscheidung treffen, anstatt einfach loszulegen.

Boyd behauptete, dass die richtige Orientierung ausreichen kann, um einen anfänglichen Nachteil, wie weniger Ressourcen oder weniger Informationen, zu überwinden und die Gegenseite zu überlisten.

Er benannte die folgenden fünf Punkte, die unsere Sicht auf objektive Informationen beeinträchtigen:

  • Unser genetisches Erbe, denn fast alle psychologischen Eigenschaften sind stark genetisch beeinflusst.
  • Die kulturelle Tradition, aus der wir stammen und die unsere Weltanschauung prägt.
  • Die vorherigen Erfahrungen, die wir gemacht haben und die die Grundlage für unser Fachwissen sind.
  • Die neuen Informationen, die wir durch die Beobachtung unserer Umwelt erhalten.
  • Unsere Fähigkeit, die Beobachtungen, die wir erhalten, zu analysieren und mit den anderen oben genannten Faktoren zu synthetisieren.

Den Punkt „Analyse und Synthese“ sah Boyd daher als den wichtigsten an. Mit besonderem Fokus darauf empfahl er für die Orientierung einen Prozess der „deduktiven Zerstörung“: Wir sollten auf die eigenen Annahmen und Vorurteile achten und dann grundlegende mentale Modelle finden, um sie zu ersetzen. Konkret bedeutet das, bestehende Denkmuster und Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, in ihre Bestandteile zu zerlegen und dann neue, angepasstere Modelle und Perspektiven zu entwickeln.

Die deduktive Zerstörung stellt sicher, dass wir immer aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und sie nicht ständig wiederholen. In einem Vortrag verwendete Boyd eine Metapher für die Entwicklung eines Gitterwerks von mentalen Modellen: Er verglich es mit dem Bau eines Schneemobils, einem Fahrzeug, das aus Elementen verschiedener Geräte besteht, wie den Raupenprofilen eines Panzers, Skiern, dem Außenbordmotor eines Bootes und dem Lenker eines Fahrrads.

Einzeln reicht jedes dieser Elemente nicht aus, um uns fortzubewegen – zusammen ergeben sie allerdings ein funktionales Fahrzeug. Oder wie Boyd es ausdrückt:

Verlierer:innen sind (Einzelperson oder Gruppen), die keine Schneemobile bauen können, wenn sie mit Ungewissheit und unvorhersehbaren Veränderungen konfrontiert sind; Gewinner:innen hingegen sind (Einzelperson oder Gruppen), die Schneemobile bauen und sie auf angemessene Weise einsetzen können, wenn sie mit Ungewissheit und unvorhersehbaren Veränderungen konfrontiert sind.

Um uns zu orientieren, müssen wir ein metaphorisches Schneemobil bauen, indem wir praktische Konzepte aus verschiedenen Disziplinen kombinieren. Obwohl Boyd als Militärstratege gilt, beschränkte er sich nicht auf eine bestimmte Disziplin. Seine Theorien umfassen Ideen aus verschiedenen Disziplinen, darunter mathematische Logik, Biologie, Psychologie, Thermodynamik, Spieltheorie und Anthropologie.

Boyd beschrieb seinen Ansatz als ein „Schema, bei dem wir Dinge auseinander nehmen (Analyse) und in neuen Kombinationen wieder zusammensetzen (Synthese), um herauszufinden, wie scheinbar unverbundene Ideen und Handlungen miteinander in Verbindung gebracht werden können“.

Decide (Entscheiden)

Die beiden vorangegangenen Phasen liefern die Grundlagen, die wir brauchen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Wenn mehrere Optionen zur Verfügung stehen, müssen wir unsere Beobachtung und Orientierung nutzen, um eine auszuwählen.

Boyd warnte vor der Voreingenommenheit bei der ersten Schlussfolgerung und erklärte, dass wir nicht immer wieder die gleiche Entscheidung treffen können. Dieser Teil der Schleife muss flexibel und offen für „Bayes'sche Aktualisierungen“ sein. Das bedeutet, dass wir unsere Entscheidungen ständig anhand neuer Informationen und Erfahrungen überprüfen und anpassen müssen, ähnlich wie bei der Aktualisierung von Wahrscheinlichkeiten im Bayes'schen Theorem.

In einigen seiner Notizen bezeichnete Boyd diesen Schritt als die Hypothesenphase. Das bedeutet, dass wir die Entscheidungen, die wir an diesem Punkt der Schleife treffen, auf ihre Schwachstellen hin überprüfen und alle Probleme in zukünftige Beobachtungsphasen einbeziehen sollten.

Act (Handeln)

Es gibt einen Unterschied zwischen dem Treffen von Entscheidungen und dem Umsetzen von Entscheidungen. Wenn wir uns entschieden haben, ist es an der Zeit zu handeln.

Indem wir handeln, testen wir nicht nur unsere Entscheidung, sondern generieren auch neue Informationen und Erfahrungen. Die Ergebnisse zeigen uns hoffentlich, ob unsere Entscheidung gut war oder nicht, und liefern uns wertvolle Erkenntnisse, wenn wir zum ersten Teil des OODA-Loops zurückkehren und erneut mit der Beobachtung beginnen. So schließt sich der Kreis und der kontinuierliche Prozess der Anpassung und Verbesserung geht weiter.


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