Der Prozess der Entwicklung
Hinterfrage die Ansätze und entwickle eigene.
Ein zentrales Merkmal von John Boyds Denken und Lehren war sein Fokus auf den Prozess der Entwicklung von Ideen, Strategien und Handlungsoptionen. Dies zeigt sich beispielhaft in seiner berühmten Präsentation über Flugmanöver.
In dieser Präsentation ging es Boyd nicht darum, ein bestimmtes Manöver als das beste oder effektivste darzustellen. Vielmehr wollte er die verschiedenen Optionen, die den Pilot:innen und ihrer Gegenseite zur Verfügung standen, in ihrem dynamischen Zusammenspiel zeigen. Sein Ziel war es, die Vielfalt der möglichen Manöver und Gegenmanöver sowie die innere Logik ihrer Interaktion zu veranschaulichen.
Dahinter stand eine tiefere pädagogische Absicht: Boyd wollte sein Publikum nicht von der Gültigkeit einer bestimmten Doktrin oder Taktik überzeugen. Stattdessen ging es ihm darum, bei seinen Zuhörer:innen eine bestimmte Denkweise, einen Denkprozess anzuregen und zu entwickeln.
Dieser Prozess, so Boyds Überzeugung, ist nicht nur das Mittel zum Zweck, sondern der eigentliche Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung von Taktiken, Strategien, Zielen und übergreifenden Handlungsansätzen. Nur durch einen flexiblen, adaptiven Denkprozess können wir die sich ständig wandelnde Welt aktiv gestalten und uns ihr erfolgreich anpassen.
Boyds Betonung des Entwicklungsprozesses hat weitreichende Implikationen, die weit über den militärischen Kontext hinausgehen. Sie fordert uns heraus, unser Denken und Handeln nicht an starren Regeln oder vorgefertigten Lösungen auszurichten, sondern ständig neu zu hinterfragen, weiterzuentwickeln und an neue Situationen anzupassen.
In einer von Unsicherheit, Komplexität und raschem Wandel geprägten Welt ist diese Fähigkeit zur kontinuierlichen Anpassung und Innovation entscheidend. Wer sich auf etablierte Muster, bewährte Rezepte oder dogmatische Prinzipien verlässt, läuft Gefahr, von den Ereignissen überholt zu werden. Nur wer bereit ist, seine Annahmen zu hinterfragen, aus Erfahrungen zu lernen und neue Wege zu gehen, kann in einem dynamischen Umfeld bestehen.
Boyds Idee des Entwicklungsprozesses ist dabei eng verknüpft mit seinen Konzepten des OODA-Loops und der „Großen Taktik“. Auch hier geht es darum, schneller und flexibler zu denken und zu handeln als die Gegenseite, Unsicherheit und Unordnung zu umarmen und durch kreative Initiative zu gestalten.
Letztlich ist der Prozess der Entwicklung für Boyd nicht nur eine Methode, sondern eine grundlegende Haltung und Denkweise. Sie erfordert Offenheit, Neugier, Anpassungsfähigkeit und die Bereitschaft, Unsicherheit und Mehrdeutigkeit auszuhalten. Sie bedeutet, Lernen und Veränderung als Chance zu begreifen und aktiv zu gestalten.
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